Brief vom 2. Januar 1832

Von: Carolath-Beuthen, Adelheid von (1797–1849)
An: Pückler-Muskau, Lucie von (1776–1854)
Ort: Carolath
Datum: 2. Januar 1832
Umfang: 1 Br. 6 Bl.
Standort: Pückler-Archiv Branitz, Kasten 2, Mappe 19
Signatur: NPCH.LPAC32.001

Beschreibung

Wünsche zum Neuen Jahr, geplanter Aufenthalt in Berlin: Du weißt es am besten wie ich die so natürliche Idee pflegte, daß mein Mann und ich, die persönliche Gnade des Königs berücksichtigend, einige Wintermonathe in der Hauptstadt, an unserem Hofe, verleben mögten; um dort einen unsern Verhältnissen entsprechenden Kreis, von Freunden und Bekannte, zu erwerben, in welchem wir, die Annehmlichkeiten, die der Aufenthalt in einer großen Stadt darbiethet, genießend, mit geistreichen Menschen in Berührung zu kommen, sich fortzubilden, zu erfrischen, neuen Stoff zu sammeln, für die einsameren Tage, Künste und Wissenschaften in ihren Fortschritten zu folgen, und so für die Erziehung der Kinder, und eigene erlaubte Zerstreuung, zugleich zu sorgen - wie gesagt ich fand dies eben natürlich und wünschenswerth als unüberspannt, die Hoffnung es zu realisieren! - dazu ist Berlin jedoch nicht ein passender Boden, das Natürliche, das Passende kann dort nicht aufkeimen, nicht gedeyhen; die Huld des Königs, welcher uns mit Auszeichnungen aufnahm ward für den erbärmlichen Neid zum Ziel der schamlosesten Verleumdungen, unsere unschuldigsten Handlungen mit der schadenfrohsten Bosheit, wurde von Frömmlern und Nichtfrömmlern, aus Dichtung und verdrehter Wahrheit, ein wunderbares Gewebe gebildet, das uns Arglosen, unbarmherzig über den Kopf geworfen ward; mit dem schwärzesten Undank waren längst alle Zuvorkommenheiten, gänzlich vergessen worden, mit welcher, du beste Mama, früher das glänzendste Haus in Berlin machtest, was sie immer noch loben und entbehren, die güthige Wirthin aber, nie ihre Kinder und Freunde verschonten, sondern stets froh waren, ihre halb unbekannten Familienverhältnisse auf ihre Weise zu erzählen und zu commentieren - nachdem sie dich, Pückler, Helmine, meinen Mann, genug alles was zu uns gehörte, zerrissen, zerpflückt , zerstückt und verleumdet hatten, ließen sie es sich auf meinen hübschen Bällen abermals sehr wohlgefallen, sie verschlangen heißhungrig unsere Butterbrodte und Kuchen, und raisonierten am anderen Morgen darüber daß wir silberne Teller hatten; tranken unseren Champagner und waren schnell bereit, Wirth und Hausfrau lächerlich zu machen, Caricaturen zu zeichnen, womöglich mit den von ihnen geschenkten Bleistiften - über alle diese Kleinlichkeiten könnte man sich nur zu leicht wegsetzen - die wirklichen Unarten tranieren, des kronprinzlichen Hofes Handlungsweise wurden nicht nur durch eclatante Beweise königlicher Gnade vergütet, wir wurden, da wir die Höfe mieden, hier in der Provinz von den Prinzen und ihren Gemahlinnen aufgesucht und bewirtheten sie, die Reise nach England, und die Aufnahme am dortigen Hofe waren geeignet, uns für immer, jene Erbärmlichkeiten Berlins vergessen und verschmerzen zu lassen; wäre dort, außer denen, die mein Herz liebt, dich gute Mama und mein Mann - auch nur ein befreundetes Wesen? Welches mir es auch nur einigermaßen anziehend machen könnte, einen Ort wieder zu längerem Aufenthalt zu wählen, der mir so vieler unangenehmer Eindrücke wegen die ich dort empfing ganz unleidlich geworden ist! - Hinzu kömmt nun noch, daß ich mich in meiner Häuslichkeit hier, sehr behaglich fühle; wohl sehe ich ein, daß meine Bildung, mein Stand, meine Ansprüche auf geistreichen Umgang, die Erziehung und Zukunft meiner Kinder, das mir schwer fallende Getrenntsein von dir und meinem guten Mann, Beweggründe sind, die in die Wagschaale gelegt zu werden verdienen - bei näherer gewissenhafter Prüfung finde ich aber, daß ich, einmal der heiligen Pflichten für meine Kinder zu leben; hier viel besser genügen kann., will nicht nach Berlin und dort den Staub anderer schlucken, denkt an die Zeit nach der Geburt der Töchter: wenn ich mir denke, wie herrlich es wäre, wenn es wieder so wäre, wir unser Parthiechen zuweilen machten, oder alle froh versammelt, um den runden Tisch sitzend, einer hübschen Lectüre lauschend, wenn ich mir denke, wie es von meinem guten Fürsten abhängt, einige Winter von Berlin wegzubleiben, wie so ganz frei du bist, gute Mama, und wie hübsch es wäre wenn wir alle zusammen, wie ich neulich schon schrieb, interessante Orte bereisten, wünscht sich, dass die Mutter, Pückler und Heinrich heute noch mit dem Schlitten angefahren kämen und den Berliner Staub abschüttelten, Carolath im Schnee ist so gemütlich, Geldangelegenheit, ihre Mittel reichen nicht aus, klagt über knappe Einnahmen bei großen Güthern, dankt für das fromme Buch, daß ich die Briefe eines Verstorbenen nicht erhielt und nicht einen Wiener Neujahrsgruß ist wirklich abscheulich, bittet um kleine bunte Callender die man auf den Schreibtisch stellen kann.