Brief vom 12. Juli 1822

Von: Carolath-Beuthen, Adelheid von (1797–1849)
An: Pückler-Muskau, Lucie von (1776–1854)
Ort: Carolath
Datum: 12. Juli 1822
Umfang: 1 Br. 6 Bl.
Standort: Pückler-Archiv Branitz, Kasten 1, Mappe 10
Signatur: NPCH.LPAC22.022

Beschreibung

Rückblick auf die schöne Zeit, deren liebliches Bild sich unauslöschlich in meine Seele einprägte, dankt für alles, Freudenkranz, den Lucie wie mit unsichtbarer Feenhand geflochten hat, Gedicht auf Lucies Liebenswürdigkeit:
Wo Liebe, schaffende Liebe
Hinschaut mit zauberndem Blick,
Kömt ihr vom Bilde des Anschauns
Die Gegenliebe zurück!

liebliches Muskau, angenehmer Kreis der uns umgab, dachte in Muskau oft an ihre harmlosen Kinderjahre als derjenigen der herangeblüthen Jungfrau, der Braut, der glücklich in Seeligkeit schwebenden Neuvermählten, ach und der von Krankheit und Gram fast zum Grabe herab gebeugten Adelheid, so wie nun der zum Leben zurückgekehrten in süße Hoffnungen sich wiegenden, trauriger Abschied als sie über die Brücke davon fuhr, Heinrich war sehr bewegt, Heinrich krank, erlitt Brustkrampf, fühlt sich besser: er besuchte gestern abend die Jagd u. heute revidiert er die Vorwerke, dazu hält er strenge Diät, Frau von Masch in Carolath eingetroffen, denkt an möglichen Tod bei der Geburt, tiefe Ruhe der regelmäßigen Lebensweise steht im Kontrast zur schaffenden Phantasie in Muskau, berichtet der Mutter von einer Strick- und Nähschule die sie für die Mädchen einrichtete, macht sich gut, die Mädchen haben sie lieb und haben eine schöne Eichenlaub Guirlande mit Blumen verbunden und dieselbe über den Eingang in unsere Zimmer angebracht, meinem Herzen dessen Element die Liebe ist hat es sehr gerührt, Streben dir ähnlich zu werden soll nicht fruchtlos bleiben, Lucie schwebt ihr in vielem als Muster vor, Leben in Muskau als Vorbild, Lucie schöne hohe Gestalt, die von früh bis abend immer in gleicher Ruhe Provision und Ordnung an allen Freuden teilnimmt, Tagesablauf Muskau, Frühstück, Gäste, Spazierfahrt zum englischen Haus, abends im Salon, während sich die Parthien im Salon formieren, setzt sich [Lucie] auf die Bank unter der herrlichen Eiche, einsam in der Abendstille die erfrischende Kühle zu genießen in Ruhe sich ihren Lieblingsgedanken überlassend, Und soll ich dir nun auch sagen wie meine Tage eingetheilt sind? Sie gleichen sich sehr, denn Einer wie der Andre vergeht unter mancherley selbstgewählten Beschäftigungen. Die Morgenstunden sind ebenfalls den häußlichen Anordnungen gewidmet, dann bin ich ganz allein bis zum Mittag, und dies zwar vorzugsweise, da mein Mann nicht bey mir sein kann wegen seiner vielen Geschäfte, so ist mir am wohlsten wenn ich mit einer hübschen Arbeit ganz ruhig am Fenster sitze mich an der lieblichen Landschaft erfreuend, und meinem Gedankenflug freien Lauf lassend! Um 1 Uhr speisen wird, bleiben ein Stündchen zusammen und gegen Abend gehen oder fahren wir Spazieren, es sind der hübschen but de Promenades so viele daß man oft wechseln kann und jedes Mal sich aufs neue an dem herrlichen Anblick der schönen Natur ergötzt. Im Gartensaal ist Musik der wir unter der Orangerie, die balsamische Düfte aushaucht, lauschen, das ist ein gar angenehmer Moment, es ist so schön auf der Terrasse, wenn der sanfte Strom vorübergleitend einige Schiffe mit weißen Seegeln auf seinen klaren Spiegeln trägt, die Rosenfarbene Abendwölkgen ziehen am Himmel dahin, die Sterne blicken herab und kühle Lüfte umgeben die Stirne - da läßt es sich vertraulich unter den Blumen und blühenden Zweigen wandeln, ungestört in heiliger Stille steigen süße Erinnerungen gleich guten Geistern aus der Tiefe der Seele empor, sie vermischen sich mit lieblichen Bildern und Träumen einer schönen Zukunft, auf diese verschmilzt Eine in die Andre, die Gegenwart verschönend!, Pückler: die nahe Ankunft deines Gemahls ist sehr erfreulich für dich, doch wirst du dich seiner Gegenwart nicht ganz ohne Géne erfreuen könne da so viele Menschen mit kommen, gratuliert zur großen Auszeichnung und höchst ehrenvollen Standeserhebung, Unser alter Streit wegen den Kalatiens und Pecklarn ist deswegen noch nicht aufgehoben und ich hoffe ihn baldigst wieder zu sehen um ihn von Neuem anzufangen, Mutter soll Großpapa [Hardenberg] bewegen, zur Taufe zu kommen, Aufträge für Lucie folgen noch, sie soll sich in ihrem Turm einschließen und sich damit beschäftigen, Grüße an alle, auch an Louchenherzchen.