Von: Carolath-Beuthen, Adelheid von (1797–1849)
An: Varnhagen von Ense, Rahel (1771–1833)
Ort: ohne Ort
Datum: 15. März 1831
Umfang: 1 Br. 2 Bl.
Standort: Pückler-Archiv Branitz, Kasten 9, Mappe 92
Signatur: NPCH.RVAC31.001
Verehrte Freundin!
Unter die mancherley verschiedenen Qualen und
Entbehrungen welche das Daseyn auf unserer oft so schönen oft aber auch
erbärmlichen Welt mit sich bringen, und in die eine vernünftige Frau und
Christin sich fügen muß gehört jene Sonderbarkeit des Geschicks daß ich 3
Wochen in Berlin seyn musste wo ich so selten hinkomme ohne eine halbe Stunde
mit Ihnen meine theure kluge Freundin mich nach Herzenslust aussprechen zu
können gerade zu einer Zeit, wo ich Ihnen recht viel zu sahen hatte, und wo
der Umgang einer solchen seltenen Frau wie Sie es sind die mich meine Lage und
alles so genau kennt, recht erquickend, recht stärkend für mich gewesen wäre -
ich trug diese Prüfung wie wir so viele hinieden tragen weil ich musste - O
liebe Varnhagen! nicht war Sie glauben auch daß wir
Fortpflanzerinnen und Pflegerinnen des Menschengeschlechts die wir in Manchen
so hoch begabt in Manchen so schrecklich unterdrückt sind, daß Gott uns sehr
lieb hat, daß wir einst! - ach! Wie seufzt man oft nach diesem Einst - nicht
nur erlöst - sondern auch belohnt werden - ja der Allgerechte hat uns
verheißen und wird es halten Linderung, Balsam Wonne ewige Wonne! - denken Sie
ja nicht meine Gute daß meine Kränklichkeit mich muthlos macht oder
schwärmerisch! Nein! Ein Mal bin ich, wenn auch langsam auf dem Wege der
Besserung, und dann sind es nicht körperliche Leiden die Adelheit gänzlich
beugen können selbst Geistige wenn auch sehr bittere Erfahrungen können sie
zwar beugen, aber nie ganz zerschmettern - da ist zu viel innere Kraft in
Glaube Liebe Hoffnung da, und dann - wie gering sind meine Leiden gegen so
viele Andere nahe und ferne! Welche blühenden Segensreichen Länder sind
verwüstete Stätten des Elends welche vornehmen reichen braven fleißigen
Familien sind zersplittert in Trauer um ihre nächsten Lieben gehüllt - o meine
Liebe Adelheit denkt und der denkende Mensch weiß sich zu fassen und wenn
Adelheit auch fühlt - auch viel zu tief fühlt, so arbeitet sie nur um so
ernster an sich um liebend zu dulden, um andere zu beglücken und zwei
liebliche Engel helfen ihr dazu und Gott seegnet diese Engel und sie bereiten
mir tausend frohe himmlisch süße Freuden - Freuden so zart so herrlich so für
die Ewigkeit geschaffen daß sie viele viele Leiden dieser Erde aufwiegen! -
ich habe auch einen guten Mann der so hoffe ich mein Freund bleiben wird denn
- ja ich sage es mit Stolz ich - verdiene es seine treue sorgsame zärtliche
Freundin! Ich habe auch eine theure Mutter hätte ich sie nur zu ihrem u meinem
Glücke ganz! Und manche liebe Freude worunter ich Sie meine Gute bitte, Sie
steets rechnen zu dürfen wie auch V. den ich herzlich grüße. Es ist Wilhelmine
Senftleben ein gutes fleißiges kreutzbraves Mädcheen welche Ihnen diese Zeilen
aushändigen wird, ich hoffe Sie sollen zufrieden mit ihr seyn, und daß sie bei
Ihnen sehr sehr gut aufgehoben ist, bin ich so gewißt, als daß Mienchen mir
meine gute Varnhagen recht pflegen wird, deren Güte so wie Ihres Gemahls ich
sie dringend empfehle - nur bitte ich sehr daß meine gute Zove mir nicht [...]
gram wird und! Mme Senftleben weiß daß sie die Reisekosten und ein jahrliches
Nadelgeld von 24 Thalern erhällt so wie zuweilen ein kleines Geschenk, sie
weiß daß sie Kammerjungfer ist, und wird ihre Grenzlinie als Solche nicht
übersteigen, doch vermuthlich daß Sie finden werden daß ihre Bildung gut
ist. Leben Sie wohl beste Freundin und bleiben Sir mir gut [...].